Regierungsprogramm, Kapitel "Budget und Finanzen"

Große Teile der türkis-grünen Maßnahmen zur Steuerentlastung sind eigentlich schon seit zwei Jahren bekannt. Insbesondere bei der Reform der Einkommenssteuer und der Senkung der Unternehmensbesteuerung gleicht das Budgetkapitel den Vorhaben der türkis-blauen Regierung, die allerdings wegen ihres vorzeitigen Scheiterns nicht umgesetzt wurden. Die ersten drei Stufen des Einkommenssteuertarifs werden gesenkt, große Unternehmen werden sich durch die Senkung der Körperschaftssteuer einiges ersparen. Unternehmer können sich zudem über die Anhebung des Gewinnfreibetrags freuen.

In der Fiskalpolitik konnten die Grünen mit der Formulierung einer konjunkturabhängigen Handhabung des Budgetsaldos der ÖVP eine Lockerung abringen. Auch die an vielen Stellen angedachte Ökologisierung des Steuersystems (siehe Kapitel Umwelt) können die Grünen für sich verbuchen. Ein Überblick über die steuerpolitischen Pläne von Türkis-Grün:

Türkis-blaue Steuersenkungen reloaded

Die Maßnahmen zur Steuersenkung entsprechen bis in die Details jenen der von Türkis-Blau paktierten Steuerreform. Bei der Lohn- und Einkommenssteuer soll es eine Reduktion der Steuersätze in den ersten drei Tarifstufen geben. Der Eingangssteuersatz, der auf Einkommensteile (gemäß steuerlicher Bemessungsgrundlage) zwischen 11.001 und 18.000 Euro anfällt, wird von derzeit 25 auf 20 Prozent gesenkt. In der nächsten Tarifstufe zwischen 18.001 und 31.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen sinkt der Grenzsteuersatz von 35 auf 30 Prozent. Auf Einkommensteile zwischen 31.001 und 60.000 Euro reduziert sich die Steuerbelastung geringfügig von 42 auf 40 Prozent.

Die Steuersätze in den höheren Stufen bleiben gleich – Menschen mit Einkommen über 60.000 Euro profitieren freilich stark von der Tarifsenkung in den unteren Tarifstufen und kommen in den Genuss der höchsten absoluten Steuerersparnisse durch die Reform.

Geringverdiener profitieren von Tarifreform nicht

All jene Geringverdiener, die wegen niedriger Einkommen unter ca. 15.500 Euro (das entspricht einer Bemessungsgrundlage von 11.000 Euro) gar nicht in die erste Tarifstufe fallen, haben von diesen Steuersenkungen hingegen nichts: Sie zahlen schon jetzt keine Einkommenssteuer. Das betrifft nach Angaben der Statistik Austria immerhin rund ein Viertel der unselbstständig Beschäftigten.

Darunter sind viele Teilzeitbeschäftigte und damit besonders viele Frauen. Die Gruppe der unselbständigen Arbeitnehmer wird allerdings durch den Sozialversicherungsbonus entlastet, der kurz vor der Wahl im freien Spiel der Kräfte mit Stimmen von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen wurde. Eine Abgabenentlastung von Geringverdienern ist im türkis-grünen Programm im Rahmen des Familienbonus bei der Erhöhung des Kindermehrbetrags vorgesehen (siehe Kapitel Soziales).

Vage bleibt das türkis-grüne Papier bei der kalten Progression. Hier will man die Anpassung der Tarifstufen an die Inflation vorerst nur "prüfen". Nach einer baldigen Abschaffung der kalten Progression sieht das nicht aus.

Senkung der Unternehmensbesteuerung

Auch bei der Unternehmensbesteuerung werden die türkis-blauen Pläne fortgeschrieben. Die Koalitionäre wollen die Körperschaftssteuer von derzeit 25 Prozent auf 21 Prozent reduzieren. Davon würden vor allem große Unternehmen beträchtlich profitieren. Dem Vernehmen nach soll das Vorhaben frühestens 2022 umgesetzt werden und an den Beschluss der CO2-Bepreisung gekoppelt werden.

Weniger Steuern zahlen werden Unternehmer auch durch die Anhebung des nicht-investitionsbedingten Gewinnfreibetrags. Diese Steuerbegünstigung wird unabhängig davon schlagend, ob bestimmte Investitionen – etwa in längerfristiges Anlagevermögen – getätigt werden oder nicht. Konkret soll diese Grenze des Gewinnfreibetrags – in Höhe von dreizehn Prozent dieses Gewinns – von 30.000 auf 100.000 Euro angehoben werden.

Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter steigt

Eine weitere Erleichterung für Unternehmen sieht das Programm bei der Erhöhung der Freigrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) vor. Diese soll von 800 auf 1.000 Euro aufgestockt werden. Geringwertige Wirtschaftsgüter können sofort im Jahr des Erwerbs steuerlich abgeschrieben werden. Durch den Anstieg der Grenze können Betriebe mehr sofort abschreiben, wodurch die steuerreduzierende Wirkung der Abschreibung zeitlich vorgezogen wird. Bei GWG mit "besonderer Energieeffizienzklasse" wird die Grenze sogar auf 1.500 Euro erhöht, heißt es im Programm.

Zudem soll das Prinzip "Reparieren statt wegwerfen" durch steuerliche Anreize gestärkt werden – was das konkret heißt, wird jedoch nicht ausgeführt.

Lögers Digitalsteuer bleibt

Festhalten will Türkis-Grün auch an der nationalen sogenannten Digitalsteuer, die Mitte 2019 unter Finanzminister Hartwig Löger beschlossen wurde, nachdem eine Einigung auf EU-Ebene gescheitert war. Im Klartext handelt es sich um eine fünfprozentige Abgabe auf Online-Werbeumsätze für Internetkonzerne, die mehr als 750 Millionen Euro Umsatz machen. Auf internationaler Ebene will man sich für die Einführung einer Digitalsteuer mit digitaler Betriebsstätte einsetzen, die auf lange Sicht das österreichische Modell ablösen soll.

Abschaffung der Schaumweinsteuer

Die Schaumweinsteuer (im Volksmund oft "Sektsteuer") soll abgeschafft werden. Das Budget wird davon nur marginal belastet, denn schon bislang verdiente der Staat an dieser Steuer, deren Abschaffung die Wirtschaftskammer vehement gefordert hat, kaum etwas. 2018 wurden damit 23 Millionen Euro eingenommen.

Eine Steuerentlastung, die wohl auf grünes Betreiben ins Programm gefunden hat, ist die "Senkung des Umsatzsteuersatzes für Damenhygieneartikel". Momentan werden Tampons und Binden mit 20 Prozent besteuert – in Zukunft sollen die Produkte durch die Steuersenkung für Frauen günstiger erhältlich sein.

Nicht enthalten: Vermögens- und Erbschaftssteuern

Erwartungsgemäß hat sich die ÖVP bei ihrer Ablehnung von vermögensbezogenen Steuern vollinhaltlich durchgesetzt. Die von den Grünen in ihrem Wahlprogramm befürwortete Erbschafts- und Schenkungssteuer für große Vermögensübergänge kommt daher nicht. Auch eine klassische Vermögenssteuer wird es mit der Regierung Kurz/Kogler nicht geben.

Nicht enthalten ist weiters eine Reform der Grundsteuer: Die veralteten Einheitswerte von 1973, die zur Bemessung der Grundsteuer herangezogen werden, liegen weit unter den heutigen Verkehrswerten der Grundstücke, wodurch die Einnahmen aus der Grundsteuer erodieren. Türkis-Grün dürfte daran nichts ändern.

Staatsverschuldung

"Die Bundesregierung bekennt sich zu dem wirtschaftspolitischen Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts, abhängig von den konjunkturellen Entwicklungen und Erfordernissen", heißt es im Papier der Koalition. Der Hauptsatz wurde offenbar von der ÖVP geschrieben, die sich in den vergangenen Jahren stets das Ziel eines Nulldefizits auf die Fahnen geheftet hat. Der relativierende Nebensatz, wonach man bei Bedarf auch vom ausgeglichenen Budget abweichen könne, klingt hingegen nach grüner Handschrift. Sollte es zu einem Wirtschaftsabschwung kommen, hat die Regierung mithin einen budgetären Spielraum, um einer Rezession durch ein temporäres Defizit zu begegnen. Das Budget soll ja nur über den Konjunkturzyklus hinweg kein Defizit aufweisen.

Im Einklang mit den europäischen Vorgaben will die künftige Regierung die staatliche Schuldenquote weiter reduzieren und damit den Trend der letzten Jahre fortsetzen. Konkret soll das Maastricht-Ziel einer Staatsschuldenquote von höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erfüllt werden.

Gegenfinanzierung?

Am meisten vermisst man bei der Lektüre eine Gegenüberstellung der erwarteten Einnahmen und Ausgaben in den nächsten Jahren. Bloß allgemein ist von der Senkung der Steuer- und Abgabenquote "in Richtung vierzig Prozent die Rede". Wie aber die beträchtlichen Einnahmenentgänge – beispielsweise bei der Einkommenssteuer – gegenfinanziert werden, wird nicht ausgeführt. Eine fundierte Einschätzung der türkis-grünen Wirtschaftspolitik und ihrer Verteilungswirkung ist ohne Kenntnis der Gegenfinanzierung nicht möglich. (Theo Anders, 2.1. 2020)